Extremwetter als Normalzustand
03.09.2025
Pakistan: Überflutete Dörfer, ausgetrocknete Böden, Menschen auf der Flucht – die Klimakrise ist omnipräsent und doch droht diese in der Flut weltweiter Kriegs- und Krisenberichterstattung unterzugehen.
Von Karin Zennig
Überflutete Dörfer, ausgetrocknete Böden, Menschen auf der Flucht vor Wasser oder Hitze – die Bilder der Klimakrise sind omnipräsent und doch droht diese stärker denn je in der Flut weltweiter Kriegs- und Krisenberichterstattung unterzugehen. Während die ausbleibende politische Regulierung die Treibhausgasemissionen fortlaufend ansteigen und die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze in weite Ferne rücken lässt, eskalieren die durch die Klimakrise verursachten Schäden – und das besonders in jenen Ländern, die kaum zur Erderhitzung beitragen.
Eines dieser Länder ist Pakistan, das – nach dem Klima-Risiko-Index 2025, der die Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf Länder und Regionen auswertet – selbst weniger als ein Prozent der globalen Treibhausgase emittiert hat, jedoch zu einem der zehn am stärksten von der Klimakrise betroffenen Staaten zählt. Damit steht das Land nicht nur beispielhaft für das enorme globale Ungleichgewicht hinsichtlich der Urheberschaft und der Auswirkungen der Erderhitzung, sondern ist auch Kristallisationspunkt der Kämpfe um einen angemessenen Umgang der internationalen Gemeinschaft mit den Schäden und die Übernahme globaler Verantwortung.
Seit Jahren häufen sich in dem südasiatischen Land Extremwetterereignisse. Dazu zählen Rekordtemperaturen jenseits der 50 Grad Celsius, massive Überschwemmungen und Dürren. Die Flut von 2022 sorgte im Land für die bisher größte von der Klimakrise hervorgerufene Zerstörung. Die durch Starkregen ausgelöste Überschwemmung traf mehr als 33 Millionen Menschen, forderte mindestens 1739 Todesopfer und hinterließ flächendeckend zerstörte Straßen, Schulen und Felder sowie ganze Gemeinden ohne Obdach. In den überfüllten Notlagern grassierten in der Folge Krankheiten wie Durchfall, Malaria oder Atemwegsinfektionen und forderten zahlreiche stille Opfer.
Nur zwei Jahre später, 2024, wiederholte sich das Muster: Erst ächzte das Land unter sengender Hitze, dann kam es zu sintflutartigen Regenfällen. Und wieder verloren Menschen ihre Existenzgrundlage – nicht selten zum zweiten oder dritten Mal innerhalb weniger Jahre. Die wiederkehrenden Katastrophen sind in Pakistan mittlerweile Teil eines „neuen Normalzustands“ geworden, der das Leben von Millionen Menschen bestimmt. In dem Land mit seinen knapp 250 Millionen Einwohnern hat sich die Zahl extremer Wetterereignisse in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdreifacht. Laut dem IPCC-Bericht von 2021 wird deren Häufigkeit und Intensität durch die fortlaufende Erderhitzung weiter stark zunehmen. Die Klimakrise ist für Pakistan somit längst keine hypothetische Zukunftsbedrohung mehr, sondern alltägliche Realität – die Verhältnisse dort führen uns schon heute vor Augen, was mit fortschreitender Erderhitzung und sich häufenden Extremwetterereignissen auch andernorts droht.
Dramatisch ist dabei nicht nur die unmittelbare Zerstörung, sondern sind auch deren langfristige Folgen, die die ohnehin große soziale Ungleichheit noch verstärken und neue hervorbringen. Denn die durch die Klimakrise hervorgerufenen Extremwetter zerstören die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Über Monate konnten in weiten Teilen Pakistans nach den Fluten von 2022 und 2024 weder die Ernte eingebracht noch neues Saatgut ausgesät werden, landwirtschaftliche Kanäle und Bewässerungssysteme waren zerstört. Langfristig senken die durch die Überflutung verursachte Verschmutzung und Versalzung der Böden deren Qualität und damit den Ertrag. Auch Speicher für Saatgut und Ernten, mit denen sich insbesondere Kleinbauern bislang eine minimale Unabhängigkeit von Marktkonjunkturen und dem Druck von Großgrundbesitzern verschaffen konnten, wurden zerstört. Tausende einfache Farmer und ihre Familien wurden dadurch in eine tiefe Schuldenkrise getrieben, die teils gar die Form von Leibeigenschaft annimmt, wie eine Untersuchung direkt nach der Flut von 2022 zeigt.
In der Provinz Sindh trägt die extreme Hitze zur Versalzung des Indusdeltas durch in den Fluss nachlaufendes Meerwasser bei und reduziert gleichzeitig die Zeitfenster für Fischfang auf dem Meer. Weil sich Fischschwärme durch die ansteigenden Wassertemperaturen in immer tiefere und weiter von der Küste entfernte Gewässer zurückziehen, steigt zudem der Aufwand des Fischfangs derart an, dass er für kleine Fischer jenseits der Großindustrie zunehmend unrentabel wird. In den tausenden Textil- und Chemiefabriken Karatschis, Lahores und Faisalabads wiederum führen die extremen Temperaturen dazu, dass die Arbeit nur noch schwerlich ohne Gesundheitsschädigungen möglich ist. Ob in den überschwemmten Dörfern in Sindh oder den Armenvierteln Karatschis, überall zeigt sich: Am härtesten trifft die Klimakrise diejenigen Menschen, die arm und prekär beschäftigt sind, wenig oder keinen Zugang zu Klimaanlagen oder schattigen Arbeitsplätzen haben, sich Mobilität nicht leisten können und zudem auf die unzureichende öffentliche Infrastruktur wie Schulen, Transport und Gesundheitseinrichtungen angewiesen sind. Die Zerstörung der Häuser durch die Fluten bedeutet für viele Familien das Zusammenschrumpfen oder gar die Vernichtung ihres Lebensraums; die wachsende Armut wiederum lässt die Anzahl der täglichen Mahlzeiten sinken und führt dazu, dass – wenn überhaupt – nur noch Jungen in die oft weit entfernte Schule geschickt werden.
95 Millionen Menschen in Armut
Durch die Extremwetter ihrer Lebensgrundlagen beraubt, müssen sich Fischer:innen wie Bäuer:innen als Arbeitskräfte und Tagelöhner:innen in den nahe gelegenen Städten verdingen, wo der Preis für ihre Arbeitskraft durch die Menge der Zuziehenden immer weiter sinkt – mit der Folge, dass viele als verarmte Surplusbevölkerung von Suppenküchen leben müssen. Von 2021 bis heute ist die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, von 55 auf 95 Millionen gestiegen.
Doch das sind nur die offenkundigen Auswirkungen, viele indirekte Folgen bleiben unsichtbar. So werden in Pakistan laut einem kürzlich von Amnesty International publizierten Bericht weniger als fünf Prozent aller Todesfälle überhaupt statistisch erfasst. 2022, als die Temperaturen in vielen Teilen der Provinz Punjab, in der über 120 Millionen Menschen leben, 50 Grad Celsius erreichten, gab es keine offiziell registrierten hitzebedingten Todesfälle. Eine tatsächliche Abbildung gesundheitlicher Auswirkungen der Klimakrise ist so nur schwer möglich. Todesursachen wie Infektionskrankheiten nach Überflutungen oder Hitzschläge in Armenvierteln tauchen kaum in den offiziellen Daten auf und lassen sich so auch nicht als klimabedingt zuordnen. Die in der hiesigen Berichterstattung unterrepräsentierten Weltregionen des Globalen Südens werden somit doppelt unsichtbar: Was nicht gezählt wird, existiert auch nicht. Und was nicht existiert, wird auch nicht besprochen.
Wozu es hingegen Zahlen gibt, sind die wirtschaftlichen Schäden. So wurden die Kosten allein der unmittelbaren Zerstörung infolge der Flut von 2022 auf 30 Mrd. US-Dollar geschätzt. Wie der Asia-Pacific Climate Report 2024 prognostiziert, droht das Bruttoinlandsprodukt Pakistans durch den Klimawandel bis 2070 um bis zu 17 Prozent zu sinken, die Weltbank spricht gar von 20 Prozent für den gleichen Zeitraum. Die Prognosen beziehen die erwarteten Einbrüche in der Landwirtschaft ein, die einen Großteil des pakistanischen BIP erwirtschaftet und deren Schädigung infolge der Flut 2022 bereits zu einer massiven Versorgungskrise geführt hat. Zwar befindet sich Pakistans Wirtschaft auch ohne Klimakrise seit längerem in einer Polykrise, das Ausmaß bereits eingetroffener und fortlaufend drohender klimakrisenbedingter Schäden wäre aber auch für eine stabile Volkswirtschaft kaum zu bewältigen und verweist das Land auf internationale Unterstützung.
Angesichts der eklatanten Diskrepanz zwischen der Verantwortung für die Klimakrise und der Betroffenheit von ihr hatte die damalige pakistanische Klimaministerin Sherry Rehman auf der Weltklimakonferenz 2022 im ägyptischen Sharm el-Sheikh statt auf Hilfe auf Reparationszahlungen durch Industrienationen und große Treibhausgasemittenten bestanden. Doch ihre Forderung verhallte kläglich und blieb von den anderen Regierungsdelegationen gänzlich unkommentiert.
Ausbleibende Klimafinanzierung
Auch die geleistete internationale Hilfe zum Wiederaufbau in Pakistan blieb unzureichend. Im Januar 2023 wurden auf einer UN-Geberkonferenz in Genf neun Mrd. US-Dollar gesammelt. Ein Großteil davon sollte später aber nicht als Aufbauhilfe, sondern in Form konditionierter Kredite nach Pakistan fließen. Erst kürzlich hat der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land eine Tranche von 1,4 Mrd. US-Dollar für Projekte zur Herstellung von Klimaresilienz zur Verfügung gestellt. Aber auch dabei handelt es sich nicht um Zuschüsse, sondern um Kredite, die das ohnehin hoch verschuldete Land weiter belasten und weder die individuellen noch die gesellschaftlichen Kapazitäten zur Bewältigung der Klimakrise tatsächlich strukturell verbessern.
Damit ist Pakistan nicht allein. Die Bilanz internationaler Klimafinanzierung ist ernüchternd. Laut dem Klima-Risiko-Index 2025 ereigneten sich zwischen 1993 und 2022 weltweit über 9400 klimakrisenbedingte Katastrophen. Sie forderten mehr als 765 000 Menschenleben und verursachten, inflationsbereinigt, Schäden von fast 4,2 Bill. US-Dollar. Einem Expertenbericht zufolge belaufen sich die jährlichen Kosten für den Kampf gegen die Klimakrise allein in den Schwellen- und Entwicklungsländern auf jährlich 2,4 Bill. Euro, Tendenz steigend. Doch zwischen dem Finanzierungsbedarf und der tatsächlich geleisteten Unterstützung klafft eine erhebliche Lücke. Der im Rahmen der Weltklimakonferenzen entstandene Fonds für Verluste, Schäden und Klimaanpassung ist bisher nicht mehr als geduldiges Papier. Die in Aussicht gestellten Beträge decken nur einen Bruchteil der bereits entstandenen und zu erwartenden Schäden ab. Die wiederholten Zusagen von Staaten, insbesondere im Rahmen des Pariser Abkommens, sind freiwillig und bisher weitestgehend unentrichtet. Fehlende Regelungen und Auszahlungsmechanismen tragen zudem dazu bei, dass die Finanzierung für die Klimaanpassung und die Behebung von Schäden für besonders betroffene Staaten nur schwer zugänglich ist. Individuen und dörfliche Gemeinschaften kommt in all diesen Mechanismen ohnehin kein Anrecht auf Entschädigung zu.
Für Pakistan bedeutet das: Dringend notwendige Rehabilitierungsmaßnahmen, etwa beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur oder zur Stärkung von Katastrophenschutzsystemen, können nicht umgesetzt werden. Zugleich sind die betroffenen Dörfer in Sindh bei der Bewältigung der Schäden der Geschwindigkeit und Korruption staatlicher Strukturen unterworfen. Und die mit der Jahrhundertflut von 2010 ins Leben gerufenen Behörden für Katastrophenschutz und -prävention agieren aufgrund der Dominanz des Militärs über zivile Schutzstrukturen, von Korruption und fehlender Einbindung der Zivilgesellschaft oft dysfunktional.
Dass Pakistan vergleichsweise geringe Kapazitäten zur Bewältigung der Klimakrise und zur Anpassungsfähigkeit aufweist, erklärt sich, wie in der Mehrzahl der Katastrophenregionen weltweit, zu einem signifikanten Teil aus den historischen Hinterlassenschaften der Kolonialzeit. In Pakistan errichtete das British Empire gigantische Staudämme und Kanalsysteme, arrangierte Landnutzung wie Besitzverhältnisse neu und legte damit den Grundstein nicht nur für massive soziale, sondern auch für ethnisch-kulturell strukturierte Machtverhältnisse, die bis heute die Lebensperspektiven der Menschen beeinflussen.
Die Illusion des Wiederaufbaus
In Ländern wie Pakistan wird angesichts der Normalisierung des Dauerkrisenzustands Wiederaufbau zunehmend zur Illusion. An dem Land zeigt sich beispielhaft, was passiert, wenn politische Regulierung und die Durchsetzung des Verursacherprinzips insbesondere gegenüber privaten Großemittenten weiter ausbleiben: Menschen verlieren nicht nur ihre Häuser, ihre Lebensgrundlage oder ihre Gesundheit – sie verlieren ihre Zukunft. Die Klimakrise produziert eine neue Ordnung zukünftig bewohnbarer und perspektivisch unbewohnbarer Weltregionen, zwischen denen und in denen Katastrophenwarn- und Schutzvorkehrungen nicht für alle gleichermaßen zugänglich sein werden. Doch auch wenn sich mittlerweile die historische Emissionsverantwortung von Staaten, Unternehmen und Superreichen berechnen lässt, werden diese weiterhin nicht zur Rechenschaft gezogen.
Die Klimakrise ist mehr als eine ökologische Herausforderung – ihre Bearbeitung ist auch eine politische Frage nach der Inanspruchnahme grundlegender Menschenrechte auf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung. Pakistans Realität ist ein eindringlicher Appell: Ohne massive, koordinierte und sozial gerechte Klimapolitik ist die Bewältigung der Krise nicht möglich. Klimagerechtigkeit darf dabei kein moralischer Bonus bleiben – sie ist die Voraussetzung dafür, dass das Recht auf ein Leben in Gesundheit und Würde für alle Menschen auch in Zukunft universell geschützt werden kann.
Dieser Beitrag erschien zuerst in den Blättern für deutsche und internationale Politik, August 2025.
Fragen zum Fall
Es geht in dem Fall um Gerechtigkeit für die 43 Bäuer:innen. Sie verlangen finanzielle Entschädigung für die konkreten Schäden, die sie erlitten haben. Die Verwüstungen infolge der Überschwemmungen in Pakistan 2022 sind ein dramatisches Beispiel für das Ausmaß, das klimabedingte Schäden für die Einzelnen und die Gesellschaft darstellen. Die Schadenersatzforderung der Bäuer:innen aus Pakistan macht die Perspektive der am meisten von der Klimakrise betroffenen Menschen sichtbar und bringt ihren Kampf für Gerechtigkeit nach Deutschland, zu den Verursachern.
Sie fordern eine Anerkennung und Kompensation ihrer klimabedingten Verluste und die rechtliche Feststellung der Verantwortlichkeit von RWE und Heidelberg Materials für die Schäden. Sie bringen eine weitere, wichtige Perspektive in die weltweiten Bemühungen um Klimagerechtigkeit. Große Emittenten müssen Verantwortung übernehmen für die Folgen der von ihnen verursachten Schäden im Zuge der Klimakrise.
Die Forderung richtet sich gegen RWE, einen der größten Stromerzeuger Europas, und Heidelberg Materials, einen der größten Zementhersteller weltweit.
Der Begriff „Carbon Majors” bezieht sich auf Unternehmen, die erheblich zur Klimakrise beigetragen haben. Der Begriff wurde durch Studien des Climate Accountability Institute geprägt, die ergaben, dass etwas mehr als 100 Unternehmen für fast 70 Prozent der weltweiten historischen industriellen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. RWE und Heidelberg Materials sind zwei davon. Als Carbon Majors sind sie für einen erheblichen Anteil der weltweiten industriellen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Historisch betrachtet zählen beide Unternehmen zu den weltweit größten CO₂-Emittenten und Umweltverschmutzern mit Hauptsitz und bedeutenden Geschäftstätigkeit in Deutschland. Die neuesten Studien, die die Carbon-Majors-Methodik verwenden, zeigen, dass RWE für mindestens 0,68 Prozent und Heidelberg Materials für 0,12 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen seit 1965 verantwortlich ist.
Bislang konnten sich große Unternehmen, die erhebliche Emissionen verursachen, einer echten Rechenschaftspflicht entziehen. Die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass diejenigen, die maßgeblich zur Krise beigetragen haben, ihren gerechten Anteil an den Kosten tragen, anstatt diese vollständig den betroffenen Gemeinden aufzubürden, ist, sie vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen.
Die grundsätzliche Möglichkeit der Haftung von Unternehmen für klimabedingte Schäden im Ausland hatte im Mai 2025 bereits der peruanische Bergbauer Luciano Lluiya im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm erstritten (alle Unterlagen hier: Bahnbrechendes Urteil in der Klimaklage gegen RWE | Germanwatch e.V.). Nun fordern Bäuer:innen aus Pakistan erstmalig Schadensersatz ein.
Alle betroffenen Bäuer:innen stammen aus der Provinz Sindh, der Region im Süden Pakistans, die am stärksten von den beispiellosen Überschwemmungen des Jahres 2022 betroffen war. Sie leben in drei verschiedenen Bezirken: Jacobabad, Dadu und Larkana. Sie leben von den Ernten, die sie auf ihren kleinen Parzellen erwirtschaften und kämpfen um ihre Unabhängigkeit von Großgrundbesitzern und Landwirtschaftskonzernen. Seit Jahren sind sie Wetterveränderungen und der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch den Klimawandel ausgesetzt.
Die 43 Bäuer:innen, die Schadenersatz von RWE und Heidelberg Materials fordern, werden von 10.000 Bäuer:innen aus ihren Dorfgemeinschaften unterstützt. Ihr Kampf für Klimagerechtigkeit verdeutlicht die Situation von 33 Millionen von der Flutkatastrophe 2022 Betroffenen in Pakistan sowie vieler weiteren Gemeinschaften, die weltweit jetzt schon von der Klimakrise betroffen sind.
Nicht nur die 43 Bäuer:innen in Pakistan fordern, dass RWE und Heidelberg Materials Verantwortung für ihren Anteil am entstandenen Schaden übernehmen. Über 10.000 Menschen in ihren Dörfern stehen hinter ihnen. Vor Ort werden sie von der sozialmedizinischen Hilfsorganisation HANDS Welfare Foundation und dem Gewerkschaftsverband NTUF unterstützt. Die National Trade Union Federation (NTUF) stärkt Bäuer:innen in Konflikten um Land- und Arbeitsrechte. HANDS Welfare Foundation arbeitet in den Gemeinden im ländlichen Sindh an der Umstellung auf klimaangepasste Landwirtschaft und unterstützt dörfliche Selbstorganisierung.
Seit Jahrzehnten arbeiten beide Organisationen, unterstützt von medico international, an der Verbesserung von Arbeits- und Lebensverhältnissen in Pakistan. In ihrem Streben nach Gerechtigkeit stehen medico international und die Menschenrechtsorganisation ECCHR fest an ihrer Seite.
Die Schadensersatzforderungen der 43 Bäuer:innen gegen RWE und Heidelberg Materials sind auch im Kontext der Auseinandersetzungen um Klimagerechtigkeit in Pakistan zu sehen. Menschen in Pakistan kämpfen auf unterschiedliche Weise für die Erhaltung ihrer Lebensgrundlagen. Sie verbinden das juristische Vorgehen mit politischen Forderungen nach Unterstützung des Wiederaufbaus, Fragen von Ernährungssouveränität und Schuldenerlass.
Die Bäuer:innen sind direkt betroffen von der Veränderung ihrer Lebensverhältnisse und der schleichenden Verunmöglichung von Leben in ihrer Region. Wenn es für sie keine Gerechtigkeit gibt, werden auch ihre Zukunftsperspektiven immer schlechter.
Gleichzeitig wissen sie darum, dass auch ihre Dörfer nur einige von vielen weltweit sind, die ähnlichen Verheerungen im Kontext der Klimakrise ausgesetzt sind: Viele Menschen in Pakistan und weltweit sind bereits jetzt von den Auswirkungen des auf der Ausbeutung fossiler Energien basierenden zerstörerischen Wirtschaftsmodells und der Klimakrise in ihrer Existenz und ihren Menschenrechten bedroht.
Alle Menschen haben dasselbe Recht auf ein Leben in Selbstbestimmung und Würde und auf eine Umwelt, die ihnen das ermöglicht. Die Auswirkungen der Klimakrise zerstören die Voraussetzungen dafür. Dabei ist die Last von Klimakrisenschäden weltweit alles andere als gleich verteilt: Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, sind oft am stärksten von seinen Auswirkungen betroffen. Hauptverursachende und Profiteure der globalen Erwärmung – wie emissionsstarke Unternehmen und Staaten – sind oft weniger betroffen und verfügen über weitreichendere Möglichkeiten und Mittel sich vor Katastrophen zu schützen.
Die Klimakrise aber ist kein Naturereignis, sie hat Verursacher und Profiteure, die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen müssen. Das Verursacherprinzip ernst zu nehmen heißt, dass sie es sind, die eine besonders große Verantwortung für rasche und erhebliche Emissionsreduktionen sowie für die Folgen der Klimakrise zu tragen haben. Das meint materielle wie immaterielle Schäden oder klimabedingte Menschenrechtsverletzungen. Klimagerechtigkeit bedeutet auch, dass sich die Strukturen, die Ungerechtigkeit hervorbringen, nicht weiter fortsetzen.
Der Klima Kosten Fall ist Teil einer wachsenden weltweiten Bewegung für Klimagerechtigkeit. So wurden bereits mehrere Verfahren gegen Großemittenten – Carbon Majors – eingereicht, die auf Klimareparationen gerichtet sind.
Zuletzt reichte am 23. Oktober 2025 eine Gruppe von 67 Filipinos in Großbritannien Klage gegen Shell ein. Sie fordern Entschädigungen für die während des Taifuns Odette 2021 verlorenen Häuser, Lebensgrundlagen und Menschenleben. Es handelt sich um eine beispiellose Klage in Großbritannien und weltweit: Zum ersten Mal wird darin ein direkter Zusammenhang zwischen umweltverschmutzenden Unternehmen und bereits eingetretenen Todesfällen und Personenschäden im Globalen Süden hergestellt.
Das ECCHR unterstützt bereits Bewohner:innen der indonesischen Insel Pari, die Klage gegen HOLCIM in der Schweiz eingereicht haben. Hier ist nach der Gerichtsverhandlung in Zug am 3. September 2025 eine Entscheidung über die Zulässigkeit zu erwarten.
In Belgien hat ein Landwirt Klage gegen TotalEnergies wegen klimabedingter Schäden eingereicht. Er fordert das Gericht auf TotalEnergies dazu zu verpflichten, den entstandenen Schaden zu beheben und einen finanziellen Beitrag zum ökologischen Wandel zu leisten. Darüber hinaus fordert er die Richter*innen auf, das Unternehmen dazu zu verpflichten, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, um künftige Schäden zu verhindern.
In Deutschland bestätigte das Urteil vom 28. Mai 2025 im Fall Saúl Luciano Lliuya gegen RWE den Rechtsgrundsatz, dass große Emittenten für klimabedingte Schäden im Ausland haftbar gemacht werden können.
Die Schadensersatzforderung gegenüber Großemittenten kann eine politische Lösung der Frage von Verlusten und Schäden infolge der Klimakrise nicht ersetzen. Die Politik hat die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Unternehmen gesetzlich auf die Abgabe von Mitteln für durch sie hervorgerufene Klimaschäden verpflichten. Ein globaler Rechtsrahmen für Klimagerechtigkeit ist deswegen unerlässlich.
In diesem Sinne ist die Einrichtung eines globalen Fonds für Klimaschäden zwar ein historischer Schritt, doch voraussichtlich werden nur Staaten in den Fonds einzahlen und das auf freiwilliger Basis. Gleichzeitig ist noch unklar, wie die Mittel tatsächlich an die Betroffenen ausgezahlt werden. Die am stärksten betroffenen Staaten und Gemeinden haben bislang keinen Cent für ihre Verluste gesehen.
Neben der globalen Ebene müssen auch die Nationalstaaten die Einhaltung der Klimaziele durchsetzen, Emissionen reduzieren und die Unternehmen in die Pflicht nehmen.
Solidarität ist wichtig. Die pakistanischen Bäuer:innen können sie in ihrer beginnenden Auseinandersetzung mit RWE und Heidelberg Materials gut gebrauchen.
Ihr Land ist zwar besonders schlimm von den Folgen der Klimakrise betroffen, gleichzeitig wissen sie darum, dass es auch viele andere Betroffene gibt. Mit ihrer Forderung stehen sie deswegen für mehr als nur für sich selbst. In diesem Sinne freuen sie sich auch andersherum über Solidarität.
Es hilft ihnen, wenn Menschen, Initiativen und Organisationen ihren Fall aufgreifen, über ihn sprechen und ihr Anliegen weiterverbreiten.
Die unterstützenden Organisationen in Deutschland, medico international und ECCHR, stehen für Veranstaltungen zur Verfügung.
Material zum Fall kann in englischer und deutscher Sprache kostenlos bestellt oder auf Social Media geteilt werden.
Auch mit einer Spende kannst du den Fall unterstützen. Damit stärkst du gleichzeitig die Arbeit von medico international in Pakistan für gemeindeorientierte Klimaanpassungsmaßnahmen, Klimabildung und Wiederaufbaumaßnahmen.